Wieso in Deutschland massiver Lehrermangel herrscht: Gründe & Lösungen
Letzte Woche war es ganz großes Thema in den Medien und Deutschland war schockiert: Bis zu 40.000 Lehrkräfte fehlen! 40.000 unbesetzte Stellen! Die Zahl ist immens und bringt uns zum Nachdenken. Aber überrascht hat sie uns ehrlich gesagt nicht…
Lehrer fehlen und Unterrichtsstunden werden gekürzt
Aufgrund der fehlenden Lehrkräfte ist es zunehmend schwierig, den Unterricht abzudecken. In den ersten Städten werden die Stunden gekürzt. Als erstes müssen Fächer wie der Sportunterricht dran glauben. Doch ist Bewegung nicht unglaublich wichtig fürs Lernen?!
Es ist nicht absehbar, dass die Stellen in nächster Zeit besetzt werden - ganz im Gegenteil: Wenn mehr Kinder aus der Ukraine und anderen Ländern im Laufe des Schuljahres nach Deutschland kommen oder Lehrkräfte aufgrund von Corona (langfristig) ausfallen, wird der Lehrermangel zu einem noch größeren Problem.
Wir fragen uns:
- Wie konnte es dazu kommen?
- Was kann getan werden, um in Deutschland den Lehrberuf wieder attraktiver zu gestalten?
Klare Gründe für den Lehrermangel
Wir wundern uns nicht, dass so viele Lehrkräfte deutschlandweit fehlen. Die Arbeitsbedingungen sind kritisch, Lehrkräfte erledigen Aufgaben weit über den Unterricht hinaus und leisten damit viele Überstunden. Alle unbezahlt. Als Dank für ein anstrengendes, kräftezehrendes Schuljahr werden sie zum Sommer entlassen. Statt am Strand in Spanien verbringen sie die freie Zeit auf Ämtern und erledigen Bürokratiekram, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Weshalb so viele junge Leute den Job nicht attraktiv finden? Können wir uns nicht erklären!
Die immense Arbeitsbelastung, die Lehrkräfte in ihrem Alltag sowieso erleben, steigt durch den Lehrermangel weiter. Es ist, als befände sich der Beruf (und auch die Bildung in Deutschland) in einer Abwärtsspirale: Die unbesetzten Stellen müssen vom Kollegium getragen werden. Die Aufgaben werden mehr, die Belastung höher, die Krankheitsfälle nehmen zu und dadurch geht es immer weiter abwärts. Denn die Schüler*innen gibt es trotzdem und die haben (zum Glück in Deutschland) ein Recht auf Bildung und Schulpflicht! Doch ein Recht auf “gute” Bildung? Darüber lässt sich streiten. Statt Geld in die Hand zu nehmen, den Job attraktiver zu gestalten um die Schulen zu retten, werden die Klassen und Lerngruppen größer, die Lehrkräfte können kaum noch individuell auf ihre Kinder eingehen, Förderangebote (ganz vorne “Deutsch als Zweitsprache” für Kinder mit Migrationshintergrund) werden einfach gekürzt. Quereinsteiger werden herangezogen und nicht fachgerecht ausgebildete Lehrkräfte in andere Schulformen gesteckt. Was das mit der Bildungschance der nächsten Generation macht? Wir wissen es nicht, aber wir werden es sehen.
Wir müssen den Lehrberuf verändern!
Was muss verändert werden, um den Lehrberuf attraktiver zu gestalten?
Eine Frage, die gar nicht schwer zu beantworten ist. Antworten erhält man sicherlich von jeder Lehrkraft, die man fragt. Wenn Deutschland zuhören würde, kann sicherlich schon bald eine Lösung ausgearbeitet werden. (Spoiler: Die Lösung lautet nicht, Referendar*innen eine Wochenstunde mehr aufs Auge zu drücken.)
Drei Dinge, die wir am Schulsystem verändern würden
Eine Veränderung muss von unten herauf entstehen. Schon beim Ausbildungsformat muss angesetzt werden: Die Lehrausbildung dauert mit mindestens 4 Jahren Studium und bis zu zwei Jahren Referendariat ungewöhnlich lange. Junge Lehrkräfte beschweren sich über zu wenig Praxis um Studium und schlagen sich mich fachwissenschaftlichen Themen herum, da die Vorlesungen häufig dieselben sind wie die der Biologie- oder Mathematik-Student*innen. Die Praxis fehlt, die Theorie überfordert. Wäre vielleicht ein Duales Studium eine Lösung?
Ein weiterer Wunsch wäre die faire Bezahlung zwischen den Schulformen. Am Gymnasium fehlen nur wenige Lehrkräfte, während die Grundschulen kaum noch ihre Stellen besetzen können. Hier spielt sicherlich auch das ungleiche Gehalt eine Rolle - die Arbeit an der “niedrigeren” Schulform wird schlechter vergütet als die des “höheren” Schulwesens. Dazu kommt der geringere gesellschaftliche Status für Grundschullehrkräfte. Sicherlich spielt das für junge Menschen, die sich Gedanken über ihre Berufswahl machen, ebenfalls eine Rolle.
Ein dritter Punkt sind die Finanzen: Statt das Geld des Staates für Tourismuswerbung auszugeben, muss dringend mehr Geld in Bildung gesteckt werden. Die Schulen müssen ordentlich ausgestattet werden, überall digitale Endgeräte zur Verfügung gestellt werden, um Bildung gemäß des 21. Jahrhunderts anzubieten, und Lehrkräfte müssen in ihrem täglichen Unterricht finanziell unterstützt werden. Dass Lehrkräfte die Ausstattung ihres Klassenzimmers und die Materialien für den Unterricht aus eigener Tasche bezahlen müssen, ist nicht weiter tragbar. Viele hunderte Euro pro Schuljahr zahlen die Lehrkräfte von ihren privaten Ersparnissen für ihren Unterricht. Sind Ersparnisse nicht dafür da, im Sommer in den Urlaub zu fahren? Aber das ist nicht weiter schlimm, denn Zeit für Urlaub bleibt kaum. Denn im Sommer sind die Lehrkräfte ja damit beschäftigt, sich arbeitslos zu melden…
Was sind deine Gedanken zu dem Thema? Was würdest du verändern, um den Lehrberuf wieder attraktiver zu gestalten? Teile deine Gedanken gerne auf Instagram unter dem Hashtag #TeachlyCommunity - wir freuen uns, von euch zu lesen!
Über die Autorin: Debby Wagner
Debby ist Grundschullehrerin auf Reisen und Autorin unseres Ebooks „Onboarding Referendariat“. Aktuell lebt sie in Argentinien und teilt auf Instagram unter @halloferien ihren Alltag, Tipps und Tricks rund ums Referendariat und die ein oder anderen Unterrichtsmaterialien.